Sexualität greift in sämtliche Lebensbereiche. Durch die bewusste Verbindung mit unseren Sinnen öffnen sich die Tore der Sexualität. Sexualenergie ist Lebensenergie. Sie ist wohl die grösste Energie, die ein Mensch entwickeln kann. Andererseits gehören Sexualstörungen zu den häufigsten Beschwerden in unserer Gesellschaft. Wer davon betroffen ist, weil es beim Sex nicht klappt, fühlt sich deswegen unzufrieden, verstimmt, verunsichert, unausgeglichen und enttäuscht. Abgesehen von medizinisch begründeten Sexualstörungen, die eine medizinische Behandlung erfordern, lassen sich sexuelle Funktionsstörungen durch eine Sexualberatung günstig beeinflussen. Das gilt insbesondere bei seelisch bedingten Erektionsstörungen, frühzeitigem Samenerguss und sexueller Lustlosigkeit aufgrund von Stress und Leistungsdruck, unbewussten Ängsten und Schuldgefühlen, tief greifenden Beziehungsproblemen, sexualfeindlicher Erziehung und fehlender Informationen über die vielfältigen Funktionsweisen unserer Sexualität. Die Lust kann uns (zwischenzeitlich) auch im Zusammenhang mit belastenden und schmerzhaften Lebenserfahrungen abhanden kommen. Dazu gehören v.a. sexuelle Gewalterfahrungen und unbewältigte Trauer. Selbstverständlich brauchen Menschen, die von derartigen Erlebnissen gezeichnet sind, zunächst gezielte Unterstützung zur Bewältigung (Umwandlung) dieser verletzenden Erfahrungen. Allerdings warten Menschen, die sexuelle Appetitlosigkeit erlebt haben, oft zu lange darauf, dass sich die Lust einfach von selber wieder meldet wie eine für lange Zeit abwesend gewesene Freundin. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sie in der Regel nicht von allein wieder erwacht, bzw. das Warten auf einen/eine Traumpartner/-in, der/die auftaucht und die Lust bei uns wieder weckt, manchmal lange bis „ewig“ dauern kann. Deshalb braucht es eine bewusste Entscheidung, das Feuer der Lust wieder zu entfachen. Sie funktioniert wie eine Pflanze, die immer wieder Nahrung und Wasser braucht und gepflegt werden will. Erfreulicherweise ist sie nicht nachtragend. Vielmehr reagiert sie schnell auf neues Interesse und Zuwendung.
Nebst der sexuellen Lustlosigkeit und den sexuellen Funktionsstörungen kann es in der Sexualberatung auch um die Veränderungen der sexuellen Bedürfnisse innerhalb einer Partnerschaft und in den Entwicklungsprozessen des Lebens gehen. Weitere Themen können sexuelle Vorlieben sein, die das Leben beeinträchtigen sowie belastender Konsum von Pornografie (Videos, DVD, Online), Telefonsex und Sex mit Prostituierten.
Sexualität im Alter
Alter schützt glücklicherweise nicht vor Liebe und Sex, aber die Liebe und der Sex können vor dem schnellen Altern schützen. Im Beobachter Artikel 23/99 „Sexualität – Auch im Alter bleibt Eros aktiv“ hält René Munz u.a. Folgendes fest:
«Medizinische Studien belegen klar: Sex ist gesund. Und Sex erhält jung. Wissenschaftlich durchgeführte Befragungen zeigen ebenso deutlich: Bis zum 80. Lebensjahr verzichtet die Mehrheit der Frauen und Männer, die in einer Partnerschaft leben, nicht auf Geschlechtsverkehr. Bei 90 Prozent der über 80-Jährigen gehören zumindest noch Zärtlichkeiten und Petting zum Liebesleben. Auf Selbstbefriedigung mögen bis zu 40 Prozent der Frauen und 72 Prozent der Männer über 80 nicht verzichten. Marta Emmenegger, die frühere Sexberaterin beim „Blick“, sagte einmal: „Das Märchen hält sich hartnäckig, ältere Frauen seien nicht mehr an Sex interessiert. Das trifft sicher auf einige Frauen zu, vielleicht, weil sie nicht gute Erfahrungen damit gemacht haben. Aber auch diese können sich täuschen. So erzählte mir eine Witwe, sie sei bei aller Trauer um ihren Mann zuerst froh gewesen, dass sie jetzt nicht mehr Sex haben müsse. Seit einiger Zeit aber werde sie von einem starken Verlangen heimgesucht, erwache sogar nachts deswegen. Nun habe sie eine Bitte an mich: Ob ich ihr nicht einen Vibrator besorgen könne, da sie sich nicht in einen Sexshop getraue…“
Sex gehört zu alten Menschen genauso wie zu jungen. Darin jedenfalls sind sich alle befragten Senioren einig. Der Unterschied im sexuellen Erleben sei gar nicht so gross. „Es dauert einfach etwas länger, aber wir haben ja auch mehr Zeit füreinander. Und vielleicht spüren wir nicht mehr alles so intensiv wie in jungen Jahren. Dafür können wir uns besser darauf einlassen. Wir müssen nicht mehr an so vieles gleichzeitig denken“, sagte eine über 80-jährige Frau. Ansonsten haben sich nicht viel verändert: „ Wie kann man sagen, heute bin ich 40, und morgen, mit 60, sei alles ganz anders? Ich fühle, was mein Liebesleben betrifft, jetzt nicht anders als mit 20 oder mit 15!“ >>